Der Synodale Weg 2020

Frischzellenkur für den Glauben

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In diesem Jahr soll der Synodale Weg seine Arbeit aufnehmen. Mit diesem Reformprozess will die Kirche in Deutschland Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Ein wichtiger Schritt. Aber nur ein erster, um auf die Glaubenskrise im Land zu reagieren.

Foto: kna/Harald Oppitz
Evangelisierung beginnt damit, dass wir das ausstrahlen, was wir glauben – zum Beispiel beim Friedensgruß. Foto: kna/Harald Oppitz


Dass Glaube und Kirche in Deutschland schon bessere Zeiten hatten, ist nicht zu übersehen. Gemeinden schrumpfen, Gottesdienste werden leerer, immer weniger Männer lassen sich zum Priester weihen. Für viele Menschen spielt die Kirche keine Rolle mehr. Doch wir erleben nicht nur eine Krise der Institution, sondern auch eine Glaubens- und Gotteskrise. Das Christentum ist auf dem Rückzug. Die hausgemachten Skandale der Kirche verstärken diese Entwicklung. Deswegen ist der Synodale Weg sinnvoll – er soll Fragen klären, die vielen Katholiken schon lange auf der Seele liegen und die Wissenschaftler als Mit-Ursachen des Missbrauchsskandals benennen. 

Es geht um Glaubwürdigkeit: Wenn die sichtbare Wirklichkeit der Kirche verdunkele, was sie bezeugen soll, „muss sie sich reformieren“, schreibt die Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer in einem Beitrag für diese Zeitung. Der Umgang mit Frauen, die oft mittelalterliche Machtverteilung, die Diskrepanz zwischen Leben und Lehre in der Sexualmoral schaden der Glaubwürdigkeit der Kirche. Doch selbst wenn der Synodale Weg diese Probleme wider Erwarten lösen sollte, werden die Kirchen dadurch nicht voller. Systemfehler wären behoben, die Glaubenskrise aber nicht. Die Kirche, ihre Amtsträger, die Gläubigen müssen sich deshalb fragen, wie sie dem Glauben eine Frischzellenkur verpassen können. Evangelisierung lautet das Stichwort, schrieb der Papst der deutschen Kirche: „Evangelisieren bildet die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche.“

Doch was ist Evangelisierung? Dazu haben wir Experten gefragt. Ihre Beiträge sind auf den Seiten 4 und 5 abgedruckt. Einig sind sich alle darin, dass es darum geht, auf die Menschen zuzugehen, ihnen die Hand zu reichen, ihr Leben zu teilen. In den Gemeinden müssen wir uns daher selbstkritisch fragen, ob wir uns nicht viel zu selbstbezogen in Kirche und Pfarrheim verschanzen. „Was willst du, dass ich dir tue?“, fragt Jesus im Evangelium einen Blinden – fragen wir das heute in unseren Orten? 

Leben wir das, was wir verkünden?

Häufig geben wir wahrscheinlich auch Antworten auf Fragen, die die Menschen gar nicht mehr stellen; pflegen Rituale, die Menschen nicht mehr erreichen. Der Glaube müsse „Relevanz für den Alltag“ haben, schreibt der Jesuit Dag Heinrichkowski in seinem Beitrag. Hat er das? Wo wird das vermittelt? Ist der Glaube nicht für viele von uns zur Dekoration geworden, ohne Kraft, den eigenen Alltag zu prägen und zu verwandeln? 

Evangelisierung beginnt daher damit, selbst den Glauben zu leben und zu vertiefen, das auszustrahlen und zu leben, was man glaubt und verkündet. „Seht, wie sie einander lieben“, schrieb der antike Schriftsteller Tertullian über die ers-ten Christen. Kann man das heute über uns sagen?

Ulrich Waschki