Mit Kindern über den Tod sprechen

Ist Oma jetzt im Himmel?

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Ehrliche Antworten sind wichtig, wenn Erwachsene mit Kindern über den Tod sprechen. Auch Ängste und Zweifel haben dabei ihren Platz. Das Thema von ihnen fernzuhalten, ist jedoch der falsche Weg. Denn die Auseinandersetzung mit dem Tod macht stark fürs Leben.


Ein Gang über den Friedhof ist eine gute Gelegenheit, um Anstöße zu geben und Fragen zu beantworten. Foto: adobestock/@Lukassek

Als Johannes nach langer Krankheit starb, bahrte die Familie den Leichnam ganz bewusst zu Hause auf. Es war ihnen wichtig, dass sie und auch Verwandte und Freunde sich im vertrauten Umfeld von dem geliebten Menschen verabschieden konnten. Auch beide Kinder des Verstorbenen, vier und sieben Jahre alt, sollten ihren toten Papa sehen und erleben können. Sie stellten viele Fragen und verarbeiteten das Erlebte auf ihre Weise: Kurz nach dem Tod des Vaters holten sie ganz spontan alle Leitern, die sie in ihrem Spielzeug finden konnten, zusammen und legten sie in den Sarg: „Damit Papa in den Himmel kommt. Ohne Leitern kommt er dort ja nicht hin“, betonten sie ganz selbstverständlich.


Kinder nicht vom Thema Tod fernhalten
Kinder begegnen Tod und Sterben auf ihre eigene Art. So wie bei Johannes sollten sie mit nahen Angehörigen, die sterben, ruhig in ganz normalem Kontakt bleiben, raten Trauerexperten. Das trage dazu bei, den Tod besser verarbeiten zu können und das Sterben aus der Tabuzone zu holen.

Oft sehen Erwachsene aber ihre Aufgabe eher darin, Kinder von diesen Themen fernzuhalten, sie nicht zu belasten. Dabei ist die  Auseinandersetzung mit Tod und Sterben von großer Bedeutung für die Entwicklung eines Kindes. „Der Tod gehört nun mal zum Leben, auch zum kindlichen. Früher oder später werden sie damit konfrontiert. Es ist sinnlos, Kinder vor den Grenzen des Lebens schützen zu wollen. Damit tut man ihnen nichts Gutes“, betonte der Tübinger Theologe Albert Biesinger in einem Interview.


Gefühle zulassen und Antworten suchen
„Kinder brauchen Erwachsene, die Gefühle zeigen“, schreibt auch Gertrud Ennulat in ihrem Buch „Kinder trauern anders“. Dabei dürften Kinder ruhig erfahren, dass es Fragen gebe, auf die selbst die „Großen“ keine Antwort wüssten. „Sie dürfen spüren, dass eine Frage ihre Eltern ebenso berührt wie sie selbst.“ Gemeinsam könne man sich dann auf die Suche nach Antworten machen. Und auch wenn niemand wisse, was nach dem Tod konkret komme, so helfe es den Kindern vom christlichen Horizont des Lebens nach dem Tod zu hören. Eltern oder andere vertraute Personen sind hier die besten Ansprechpartner. Gemeinsam können sie erleben, wie wertvoll es ist, dass man nicht nur Freude im Leben miteinander teilt, sondern auch das Leid. Eine Erfahrung, von der auch Johannes` Kinder heute noch zehren und die die Familie zusammenschweißt.


Die Sprache muss nicht kindlich sein
Kinder kennen keine Tabus und fragen oft ganz unbefangen. Außerdem verstehen sie viel mehr, als Erwachsene vielleicht denken. Wichtig ist es, ehrlich zu ihnen zu sein und nichts zu verniedlichen. Umschreibungen wie „Schlaf“ oder „Reise“ können Verwirrung und Ängste auslösen. Am besten sind klare Aussagen, wie „Papa ist gestorben“ oder „Papa ist tot“. Es seien die Worte der Erwachsenen, die das Kind prägen, sagt Psychologin Veronika Burtschwer-Kine aus Bregenz. Auch wenn es manchmal schwerfalle, sei die Wahrheit dabei eine Grundvoraussetzung.


Kinder gut vorbereiten – auch im Alltag
Auch wenn kein direkter Todesfall in der Familie oder im Freundeskreis auftritt, werden Kinder dennoch regelmäßig im Alltag mit dem Thema konfrontiert – zum Beispiel in Filmen, bei den täglichen Nachrichten im Fernsehen oder auch beim Kontakt mit Geflüchteten und deren Lebens- und Fluchtgeschichte, die oft mit tödlichen Ereignissen verbunden ist. In vielen Bereichen erleben Kinder darüber hinaus auch selbst Gefühle von Verlust und Traurigkeit, wie beim Umzug oder einem Schulwechsel. Das alles seien gute Gelegenheiten, um über Erfahrungen von Leid und Verlassenheit sprechen zu lernen und belas­tende Emotionen auszudrücken, um sie zu überwinden. Eltern sollten das nicht ausgrenzen oder so tun, als ob es das im kindlichen Leben nicht gibt, meint Albert Biesinger. Auch ein Gang über den Friedhof oder das Entzünden einer Kerze für den Verstorbenen seien gute Möglichkeiten, um Anstöße zu geben und Fragen zu beantworten. „So lässt sich auch vermitteln, dass wir mit den Menschen, die gestorben sind, weiter verbunden sind über den Tod hinaus.“


Nicht von der Beerdigung ausschließen
Wenn Kinder es wünschen, sollten Eltern sie zur Beerdigung mitnehmen. Das hilft, das Erlebte zu verarbeiten. Sinnvoll ist es aber, sie auf den Ablauf vorzubereiten. So können kleinere Kinder ein Bild malen und es mit ins Grab leben, ältere in die Vorbereitung der Feier miteinbezogen werden. Gerade jüngere Kinder sollten während der Zeremonie begleitet werden. Man kann ihnen erklären, dass nur der tote Körper im Sarg liege, die Oma aber schon ganz woanders sei – „im schönen Licht und nah bei Gott“, so Biesinger. Er beruhige die Kinder zu wissen, dass nicht der geliebte Mensch, sondern nur sein toter Körper beerdigt werde.

„Tod ist und bleibt ein Lebensthema“, betont Psychologin Veronika Burtscher-Kiene. Es könnten immer wieder neue Fragen auftauchen – oft auch in einer Situation, in der Erwachsene gar nicht damit rechneten. Dann sollte man aber auf jeden Fall „als Gesprächspartner zur Verfügung stehen und sich damit auseinandersetzen“.

Astrid Fleute