Institut für Lehrerfortbildung (ILF) organisiert Fortbildungen in Yad Vashem
Menschen sehen, nicht Opfer
Der Holocaust im Unterricht. Wie können Lehrer über millionenfachen Mord reden, wie Schüler aus der Geschichte lernen? Das war jetzt Thema einer Reise nach Israel, die das Institut für Lehrerfortbildung (ILF) organisiert hatte. Von Ruth Lehnen
Das Denkmal für die Deportierten in Yad Vashem, Jerusalem. Foto: Gabriele Krämer-Kost
Viele Millionen Opfer – die Politik der Nationalsozialisten hatte ein Morden zur Folge, das in der Geschichte unvergleichlich ist. Darüber muss auch heute im Schulunterricht gesprochen werden. Die Frage ist nur: Wie? Die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel hat dazu Konzepte entwickelt. Den Ansatz erläutert Dr. Jürgen Kost vom Institut für Lehrerfortbildung (ILF) der Bistümer in Rheinland-Pfalz und im Saarland: „Es geht darum, vom Einzelnen herzukommen: Ein Denkmal und ein Name.“ (aus Jesaja 56,6)
Gegen das Vergessen: ein Denkmal und ein Name
Millionen sind ermordet worden, aber sie sollen nicht dem Vergessen anheimfallen, ihr Andenken soll wach bleiben. Indem der einzelne Mensch in Erinnerung gerufen wird, erhebt er sich über den Opferstatus, den ihm die Nationalsozialisten zugedacht haben. Er bekommt sein Gesicht und seine individuelle Geschichte zurück.
Diesen Ansatz vermittelt Yad Vashem vermehrt auch deutschen Lehrern. Im Mai vergangenen Jahres wurde ein Kooperationsvertrag zwischen der Gedenkstätte Yad Vashem und Rheinland-Pfalz geschlossen. Eine Frucht dieser Kooperation war jetzt eine zehntägige Lehrerfortbildung des ILF in Israel, an der Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen aus Rheinland-Pfalz teilgenommen haben, insgesamt 22 Personen.
Immer ging es darum, die Geschichte des Holocaust und die daraus zu ziehenden Lehren für heute „im Unterricht auf eine gute Weise rüberzubringen“, wie Jürgen Kost erläutert. Dazu wurden die Lehrer in drei Schritten weitergebildet: Sie wurden auf den neuesten Stand der Forschung gebracht, sie lernten den individualisierten Ansatz des Gedenkens in Yad Vashem kennen und sie brachten ganz konkrete Unterrichtsmaterialien mit nach Deutschland.
Die Israel-Reise hat bei den Teilnehmern tiefe Spuren hinterlassen. Besonders beeindruckt hat sie der Perspektivwechsel, der auch für den deutschen Schulunterricht neue Ansätze bereithält: Es soll nicht nur um die Täter gehen, sondern darum, „Juden und Jüdinnen als Personen wahrzunehmen, und ihren Einzelschicksalen Raum zu geben“, wie Julia Ernst vom Katholischen Johannes-Gymnasium in Lahnstein festhält. Diese Perspektive kann sowohl im Geschichts- wie im Sozialkundeunterricht und auch in Katholischer Religion oder in Ethik eine Rolle spielen. Besonders beeindruckt hat die Teilnehmer eine Begegnung mit dem Zeitzeugen Naftali Fürst, der als Kind das Lager Buchenwald überlebt hatte.
Zeitzeugen mahnen: Für das eintreten, was einem wichtig ist
„Mir wurde als jungem Menschen mit auf den Weg gegeben: Dass ich als Lehrerin zukünftigen Generationen vermitteln soll, dass man immer stark bleiben muss und für das kämpfen und eintreten soll, was einem wichtig ist,“ sagt Julia Ernst (27) über das Gespräch mit Naftali Fürst.
Jedes Jahr soll es jetzt unter Federführung des ILF eine Lehrerfortbildung in Zusammenarbeit mit Yad Vashem geben, abwechselnd in Israel und in Deutschland. Diese Fortbildungen werden vom Bildungsministerium stark unterstützt.
www.ilf-mainz.de
Nachgefragt: Wie haben Sie die Fortbildung erlebt?
Julia Ernst, Geschichtslehrerin am Johannesgymnasium in Lahnstein: „Ich durfte bei der Fortbildung junge Leute in Israel erleben, die so politisch interessiert und engagiert und reflektiert waren! Ich will versuchen, Schülerinnen und Schüler zu Hause für politische Gegebenheiten zu sensibilisieren. Dass sie den Mut haben, sich mit anderen Kulturen und anderen Wertvorstellungen auseinanderzusetzen.“
Sonja Thielecke, Religionslehrerin am Konrad-Adenauer-Gymnasium Westerburg: „Als Heiliges Land wird Israel auch auf ein Podest der Unantastbarkeit gestellt. Ich habe jetzt die Erfahrung gemacht, je mehr ich über dieses Land erfahre, desto mehr Fragen tun sich für mich an dieses Land auf. Von den Menschen können wir Toleranz, Offenheit und auch Gelassenheit lernen, auf die Dinge zu blicken.“
Sabine Hammes, Geschichtslehrerin Martin-Butzer-Gymnasium Dierdorf: „Mich hat am meisten die explizit jüdische Perspektive auf den Holocaust beeindruckt, weil die bei der Art, wie ich in Deutschland aufgewachsen bin und studiert habe, eigentlich nie zu Wort gekommen ist. Ich werde demnächst mit Quellen arbeiten, die diese Personen in den Mittelpunkt stellen, und mit Zeitzeugenaussagen.“
Corinna Oppmann, Lehrerin an der Grundschule Ober-Olm: „Besonders berührt war ich vom Besuch der Kindergedenkstätte, die die unfassbare Dimension des Kindermords in einer so pietätvollen Weise dargestellt hat ... Ich werde den Kindern mitgeben, wie wichtig es ist, Dinge nicht einfach zu akzeptieren, sondern seine Meinung offen zu sagen: kein Weggucken und kein Weghören.“