Niels-Stensen-Kliniken

Neuausrichtung mit Einschnitten

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Fahnen mit dem Logo der Niels-Stensen-Kliniken wehen an einem Mast
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Foto: Niels-Stensen-Kliniken

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Stürmische Zeiten: Der Klinikverbund Niels Stensen steht vor Veränderungen. Foto: Niels-Stensen-Kliniken

Die Niels-Stensen-Kliniken haben die Medizinstrategie 2028 vorgestellt. Durch diese Neuausrichtung will sich der kirchlich getragene Klinikverbund für die Zukunft aufstellen und so nicht nur die medizinische Versorgung der Patienten langfristig sichern, sondern ebenso wirtschaftlich wieder gesund und stark werden. Das geht nicht ohne Verluste. Ostercappeln verliert sein Krankenhaus, Thuine ist unsicher.

„Wie nahezu alle Krankenhäuser in Deutschland haben auch wir aktuell große Herausforderungen zu bewältigen“, erläutert Christina Jaax, seit Februar Geschäftsführerin der Niels-Stensen-Kliniken, und verweist damit in einer Pressemitteilung auf bundesweit schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Krankenhäuser, den Fachkräftemangel, weniger stationäre Patienten aufgrund des Trends zu ambulanten Behandlungen und nicht zuletzt auf die bevorstehende Krankenhausreform. „Als größter Gesundheitsdienstleister und Arbeitgeber für die gesamte Region Osnabrück tragen wir eine große Verantwortung. Wir wollen sowohl die medizinische und pflegerische Versorgungsqualität als auch Arbeitsplätze in der Region langfristig sichern“, erklärt Jaax die Hintergründe der sogenannten Medizinstrategie 2028, die am 21. Juni in einer Pressekonferenz näher erläutert werden sollen. „Deshalb nehmen wir jetzt strukturelle Veränderungen vor, die sich an den Rahmenbedingungen der Krankenhausreform orientieren: Wir bündeln unsere Kräfte und bilden klare medizinische Schwerpunkte. Damit stärken wir die Qualität der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten.“ 

So werden am Franziskus-Hospital Harderberg der onkologische und orthopädische Schwerpunkt sowie die Lungenmedizin ausgebaut und am Christlichen Klinikum Melle wird das geriatrische Zentrum unter anderem mit der Palliativmedizin gestärkt. Weiterhin wird beim Marienhospital Osnabrück (MHO) das Neurozentrum mit den Angeboten des kardiovaskulären Zentrums und des Traumazentrums am MHO-Standort an der Bischofsstraße zusammengeführt.

Einschneidende strukturelle Maßnahmen nicht zu vermeiden

„Die Medizinstrategie 2028 haben wir in den vergangenen Monaten unter sorgfältiger Abwägung der künftigen Patientenversorgung in der Region Osnabrück, der Auswirkung auf unsere Mitarbeitenden und Modellierung vieler Alternativen erarbeitet“, erklärt  Jaax. „Uns ist sehr bewusst, dass es Maßnahmen der Medizinstrategie gibt, die mit guten Argumenten kritisiert werden können – mit isoliertem Blick auf den jeweiligen Standort. Wir mussten jedoch eine Entscheidung treffen, die aus unserer Sicht die Zukunft des Gesamtverbundes sichert.“ Die Schwerpunktbildung geht einher mit Leistungsverlagerungen, die im Stadtgebiet Osnabrück insbesondere den Standort Natruper Holz und im Landkreis Osnabrück den Standort Ostercappeln betreffen: Der MHO-Standort Natruper Holz wird früher als geplant größtenteils an die Bischofsstraße verlagert. Das Krankenhaus St. Raphael Ostercappeln wird zum August 2025 als Krankenhausstandort geschlossen. Die stationären medizinischen Leistungen beider Standorte werden an den MHO-Standort Bischofsstraße in Osnabrück, an das Christliche Klinikum Melle und an das Franziskus-Hospital Harderberg der Niels-Stensen-Kliniken verlagert.

Ärztemangel in der Geburtshilfe

„Mit großem Bedauern müssen wir mitteilen, dass wir die Geburtshilfe und Gynäkologie in Melle und die Geburtshilfe am Harderberg aufgrund des Fachkräftemangels im ärztlichen Bereich nicht aufrechterhalten können“, sagt Jaax. Trotz intensiver, jahrelanger Bemühungen finden sich keine Fachärzte. Gleichwohl hätten werdende Mütter sowie Neugeborene einen Anspruch auf eine optimale Versorgung. Dafür seien stabile und verlässliche Strukturen zwingend notwendig. "Diese konnten seit Monaten nur durch allergrößte Belastung der Mitarbeitenden gewährleistet werden. Die Leistungen der beiden Kliniken werden daher ins Perinatalzentrum des MHO verlagert." Dort seien für alle werdenden Eltern und Neugeborenen ausreichend Kapazitäten vorhanden.

„Für viele Mitarbeitende werden sich mit der Umsetzung der Medizinstrategie in den nächsten Monaten ihr Arbeitsumfeld, ihr Arbeitsort und die Teamzusammenstellung stark verändern“, ergänzt Bernd Runde, der in der Geschäftsführung für Personalthemen verantwortlich zeichnet. „Gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung werden wir im Rahmen eines Sozialplans die wirtschaftlichen Folgen weitgehend abmildern. Gleichzeitig können wir zum jetzigen Zeitpunkt betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen.“ Jaax betont: „Wir sind davon überzeugt, dass es sich dennoch lohnt, diesen Weg zu gehen. Denn durch die strukturelle Neuaufstellung stärken wir langfristig die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Region Osnabrück und können Arbeitsplätze erhalten."

Thuine lotet Sanierungsmöglichkeiten aus

Konsequenzen ergeben sich auch für das Elisabeth-Krankenhaus Thuine. „Wir können unsere laufenden Kosten nicht mehr aus eigener Kraft decken und sind gezwungen, in Kürze ein Schutzschirmverfahren einzuleiten. Die Entscheidung mussten wir nach sorgfältiger Abwägung und rechtlicher Prüfung treffen", so Christina Jaax. Damit sei aber keine Entscheidung über die Zukunft getroffen. Die Bemühungen um eine Rettung des Standortes würden weiter vorangetrieben. „Der Klinikbetrieb soll in vollem Umfang weitergeführt werden. Die Gehälter unserer Mitarbeitenden sind auch während des Verfahrens gesichert“, erklärt Christina Jaax.

Das Elisabeth-Krankenhaus Thuine verzeichnete aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen im Jahr 2023 einen Verlust von rund 5 Millionen Euro. In diesem Jahr werde ein Verlust im siebenstelligen Bereich erwartet. Trotz intensiver Bemühungen, Maßnahmen zur Kostensenkung und Erlössteigerung umzusetzen, könne das Krankenhaus bislang nicht wirtschaftlich zukunftsfähig aufgestellt werden. Daneben seien erhebliche Instandhaltungsmaßnahmen und Investitionen zur Wettbewerbsfähigkeit des Krankenhauses erforderlich, die ebenfalls derzeit aus eigener Kraft nicht vorgenommen werden könnten. 

Die Gründe für die finanzielle Schieflage des Elisabeth-Krankenhauses seien vielschichtig, heißt es in der Pressemitteilung: die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer seit Jahren unzureichenden Krankenhausfinanzierung, der Fachkräftemangel und der Rückgang von stationären Patienten aufgrund des Trends zu ambulanten Behandlungen. Für kleinere Häuser, wie das in Thuine, kämen erschwerend die fehlende Planungsperspektive aufgrund einer angekündigten, aber noch nicht umgesetzten Krankenhausstrukturreform hinzu. Im Schutzschirmverfahren würden weitere Sanierungsmöglichkeiten geprüft. „Wir stehen zu unserem Krankenhaus und werden die Kommunikation mit dem Land und den Kostenträgern auch während des Schutzschirmverfahrens fortsetzen und Spielräume ausloten“, so Christina Jaax mit Blick auf die Zukunft des Standorts. 


Stichwort Schutzschirmverfahren

Mit dem Schutzschirmverfahren hat der Gesetzgeber im März 2012 ein Verfahren ermöglicht, mit dem die Sanierung von Unternehmen erleichtert werden soll. Voraussetzung für die Einleitung eines solchen Verfahrens ist das Testat eines Experten, das nachweist, dass das Unternehmen nicht zahlungsunfähig ist, also noch über ausreichende Liquidität verfügt, aber die Zahlungsunfähigkeit droht. Zudem muss das Testat die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens bescheinigen. Der Antrag auf ein Schutzschirmverfahren muss beim zuständigen Amtsgericht eingereicht werden. Ziel des Schutzschirmverfahrens ist es, dass nach wenigen Monaten von den Verantwortlichen ein Sanierungsplan vorgelegt wird, in dem aufgeführt ist, wie das Unternehmen saniert werden soll. Gericht und Gläubiger müssen diesen Plan annehmen, damit das Verfahren beendet wird.