Ranghohe Mitarbeiter wurden suspendiert

Neuer Finanzskandal im Vatikan

Image

Dokumente wurden beschlagnahmt, ranghohe Mitarbeiter suspendiert: Im Vatikan gibt es einen neuen Finanzskandal. Die Hintergründe sind noch unklar.

Foto: kna/Cristian Gennari
Unklare Rolle: Noch ist nicht bekannt, was dem Direktor der vatikanischen Finanzaufsicht, Tommaso Di Ruzza, zur Last gelegt wird. Foto: kna/Cristian Gennari


Es geht um einen zweifelhaft angelegten dreistelligen Millionenbetrag und einen Konflikt zwischen den Exekutiv- und Kontrollorganen der vatikanischen Finanzverwaltung. Involviert sind - mit unklaren Rollen - die Leitungsebene im vatikanisachen Staatssekretariat, die Finanzaufsicht AIF, die Vatikanbank IOR und die Gendarmerie.

Was das vatikanische Presseamt bisher offiziell mitteilte, ist wenig: Am Morgen des 1. Oktober wurden auf Anordnung des vatikanischen Staatsanwalts bei Durchsuchungen in der ersten Sektion des Staatssekretariats sowie bei der AIF Dokumente und "elektronische Geräte" beschlagnahmt, nachdem im Frühsommer Anzeigen vom IOR und dem Büro des vatikanischen Buchprüfers wegen gewisser Transaktionen eingegangen waren.

Der Hintergrund: Vermutlich 2013 investierte das Staatssekretariat mit Hilfe italienischer Geschäftsfreunde einen dreistelligen Millionenbetrag in eine Londoner Immobilie; offenbar kein gutes Geschäft. Als der neue Substitut im Staatssekretariat, Erzbischof Edgar Pena Parra, die Hypothek auf dem Gebäude ablösen wollte, sperrte das IOR. Die Rede ist von 150 Millionen Euro.

Im Visier des vatikanischen Staatsanwalts stehen nun ein höherer und drei subalterne Mitarbeiter des Staatssekretariats sowie der Direktor der Finanzaufsicht, Tommaso Di Ruzza. Dabei ist bei letzterem nicht klar, ob er möglicherweise für etwas belangt wird, was zu seinen Pflichten gehört - eine ungewöhnliche Finanzaktivität zu melden. Der Vatikan gab auch auf Nachfrage keine Auskunft, welches Fehlverhalten Di Ruzza zur Last gelegt wird.

 

Viele Fragen bleiben offen

Weitere Fragen bleiben vorerst offen. Dazu gehört der Part des heutigen Kardinals Giovanni Angelo Becciu, von 2011 bis Juni 2018 Substitut, also Vorgänger von Pena Parra. Die Fehlinvestition muss nach derzeitigem Kenntnisstand während seiner Amtszeit erfolgt sein. Becciu gilt als jemand, der auch in Wirtschaftsfragen die Fäden gerne in der Hand behielt und sich dabei selbst mit dem damaligen Finanzchef Kardinal George Pell anlegte. Mittlerweile Präfekt der Heiligsprechungskongregation und Kardinal, will Becciu laut ihm vertrauten Journalisten von dem Deal nichts gewusst haben. Selbst wenn es so ist, sollte der Staatsanwalt nach Meinung von Beobachtern auch ihn anhören; bislang fiel sein Name nicht.

Merkwürdig scheint auch, dass der Koordinator des vatikanischen Wirtschaftsrats, der die Aufsicht über die Vermögens- und Finanzangelegenheiten hat und unter anderem den jährlichen Bericht des Generalrevisors und Korruptionsbeauftragten prüft, nicht über die Vorgänge in Kenntnis gesetzt wurde. Kardinal Reinhard Marx, Inhaber dieses Postens, erklärte noch am Montag, also fast eine Woche nach der Mitteilung des Presseamts, er wisse nichts von dem neuen Skandal. Das wirft Fragen nach der internen Informationsstruktur auf.

Vollends besorgniserregend sind die undichten Stellen bei Polizei und Justiz. Ein italienisches Magazin veröffentlichte im Faksimile eine Dienstanweisung der Gendarmerie zu den Beschuldigten; die Echtheit wurde vom Vatikan nicht in Abrede gestellt. Es ist nicht das erste Mal, dass sensible Interna nach außen dringen. Dies nährt den Eindruck, der vatikanische Sicherheitschef Domenico Giani habe seine kleine Truppe nicht im Griff. Andere Medien zitierten wie selbstverständlich aus Akten der päpstlichen Staatsanwaltschaft.

All das weckt Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit und internen Kontroll- und Informationsmechanismen in dem Zwergstaat am Petersdom. Von einer effektiven Finanzkontrolle kann beim Heiligen Stuhl, auch wenn das IOR als ausgemistet und aufgeräumt gilt, offenbar weiter keine Rede sein. Die Rolle höchster Kurienmitarbeiter bei der Affäre lässt einmal mehr fragen, auf wen der Papst sich verlassen kann. 

kna