Besuch in der Abtei Königsmünster

Prägung durch das Kloster

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Kirche Abtei Königsmünster
Nachweis

Foto: Roman Weis

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Die Friedenskirche der Abtei Königsmünster

Anders als die meisten Bischöfe trägt Bischof Dominicus keinen Anzug, sondern den schwarzen Habit, das Ordensgewand der Benediktiner. Vor mehr als 40 Jahren ist er in seiner sauerländischen Heimat in die Abtei Königsmünster in Meschede eingetreten. Ein Besuch dort vermittelt eine Ahnung, was den neuen Osnabrücker Bischof prägt.

Draußen brennt die Sonne auf den Vorplatz vor der großen Kirche, drinnen herrscht angenehme Kühle. Sanftes Dämmerlicht erfüllt den hohen, von Backsteinmauern umschlossenen Raum. Über dem Altar hängt Jesus am Kreuz. Auf seinem Kopf eine goldene Krone. Die Kirche der Benediktinerabtei Königsmünster ist keinem Heiligen geweiht, sondern „Christus, dem König des Friedens“. Viermal am Tag, sonntags fünfmal versammeln sich die Mönche hier zum Gebet. Im Halbkreis vor Altar und Kreuz; eine halbhohe Mauer trennt sie von anderen Besuchern. Jetzt ist es 12.15 Uhr. Die Mittagshore wird gebetet. Eine Unterbrechung mitten am Tag. Wenn die Glocke erklingt, beenden die Mönche ihre Arbeit und gehen in die Kirche. In vielen Jahren im Kloster müssen die Zeiten in Fleisch und Blut übergehen: Obwohl es nur noch wenige Minuten bis zum Beginn des Gebets sind, führt der Abt ohne Blick auf die Uhr seelenruhig das Gespräch zu Ende, bringt eine Tasse in die Teeküche und geht, ohne Eile, zum Gebet seiner Gemeinschaft. 

Im Wechsel mit einem Vorbeter singen die Mönche Psalmen. Die bieten das ganze Programm menschlichen Lebens. Heute ist Psalm 30 an der Reihe. „Ich will dich rühmen, Herr, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen und lässt meine Feinde nicht über mich triumphieren“, heißt es dort. Es gibt eine Lesung aus der Bibel, Stille, ein Gebet „in der Mitte des Tages“. Als Rückschau auf das, was bisher war, und mit der Bitte, dass das Tagewerk gelingen möge. Die Fürbitten werden frei gesprochen. Am Ende ziehen die Mönche, angeführt vom Abt, in Zweierreihen zum Altar, verneigen sich und gehen in den Gang zum Refektorium, dem Speisesaal der Mönche. 

Das Refektorium ist ein Bau aus den 1980er Jahren. Bodentiefe Fenster geben den Blick auf Bäume und Wiesen frei. Am Kopf der Tafel sitzt der Abt. Von seinem Platz aus kann er durch ein rundes Fenster an der Decke auf den Sakramentsturm der Abteikirche schauen. Im Sakramentsturm befindet sich der Tabernakel mit dem Allerheiligsten. Eine starke Symbolik: Selbst beim Essen kann der Obere der Mönchsgemeinschaft auf das Zentrum ihres Lebens schauen. 

Geregeltes Leben aus Arbeit, Gebet und Ruhe

Klostergelände
Klostergarten Foto: Roman Weis

Das Essen wird schweigend eingenommen. Am Tisch verständigt man sich mit Gesten und Blicken, während ein Mönch die Tischlesung vorträgt. Zuerst ein Wort aus der Bibel, dann aus einem Buch. Heute ist ein Werk über den Gründer der Benediktinerkongregation von St. Ottilien dran. Das ist die Klosterfamilie, zu der Königsmünster gehört. Das Buch ist dick. Es könnte Monate dauern, bis es ausgelesen ist. Zwei Mönche haben Tischdienst. Mit weißen Schürzen über dem Habit tragen sie die Speisen auf. Während ihre Mitbrüder essen, achten sie darauf, ob irgendwo etwas fehlt oder ob sie vielleicht schon abräumen können. Vor und nach dem Essen wird gebetet. Kein schnelles, verhuschtes Tischgebet. Man merkt, dass die Mönche sehr bewusst Gott danken und um seinen Segen bitten. 

Es ist ein Leben in der ständigen Gegenwart Gottes. Das führen andere Menschen auch. Aber hier wird es dauernd ausgesprochen, hier wird Gott häufig angesprochen. Und: Es ist ein sehr geregeltes Leben aus Arbeit, Gebet und Ruhe. Die Gebete sind der Rahmen des Klosterlebens, sie führen immer wieder die Gedanken zu Gott zurück. Das erste beginnt morgens um 6.30 Uhr, das letzte endet um 20 Uhr. Danach schweigen die Mönche.

Dieser Rhythmus prägt. Wohl deshalb betonte Bischof Dominicus in seinem ersten Interview mit dem Kirchenboten, wie wichtig ihm solche Unterbrechungen sind, auch wenn er seit einigen Jahren nicht mehr ständig im Kloster lebt: „Deshalb brauche ich Orte wie meine Terrasse, wo ich abends sitze und mal einfach nichts mache. Einfach Ruhe.“

Für den aktuellen Abt von Königsmünster, Cosmas Hoffmann, ist das Bedürfnis nach Ruhe erst einmal „typisch menschlich“. Aber im Leben eines Mönches sind Ruhephasen eben fest vorgesehen. „Aus der Ruhe kommt die Kraft“, zitiert der Abt das bekannte Sprichwort. Vielleicht wächst aus dem mönchischen Leben auch ein anderer Blick auf das Bischofsamt, das in seinen Alltagszwängen oft weniger einem geistlichen Amt als der Aufgabe eines Managers gleicht. „Das Monastische ist auch eine kritische Anfrage an eine unreflektierte Alltagshektik“, sagt Cosmas.

Er wurde im vergangenen Jahr von den Priestern und Laienbrüdern des Klosters zum Abt gewählt. 45 Mönche gehören derzeit zu der Abtei hoch über der Stadt Meschede, vier weitere leben in einer Zweigstelle in Hannover und zwei als Seelsorger in nahen Kirchengemeinden. 

Klosterkirche außen
Von außen zeigt sich die Friedenskirche der Abtei als feste Burg oder sicheres Schiff. Das Labyrinth auf dem Kirchplatz ist Zeichen für unsere Gottesbeziehung. Foto: Roman Weis

1928 kamen die ersten Benediktiner ins Sauerland. 1956 wurde das Kloster zur Abtei erhoben, die Mönche wählten den ersten Abt. Von 2001 bis 2013 hatte Dominicus Meier dieses Amt inne, als erst dritter Abt. Damit war er nicht nur der Obere der Mönche. Er war auch Chef einer ganzen Reihe von Unternehmen und eines Gymnasiums. 

Die Liebe zur Liturgie führte ihn ins Kloster

Die Situation, in der Dominicus damals das Amt übernahm, hatte Ähnlichkeiten mit seiner neuen Aufgabe. Sein Vorgänger, Abt Stephan, war 25 Jahre lang im Amt gewesen und hatte mit großer Netzwerkerqualität und Außenwirkung viele Dinge angestoßen und „Räume ermöglicht“, sagt Abt Cosmas. Der Konvent erreichte mit mehr als 70 Mönchen seine größte Ausprägung. Cosmas sagt: „Eine sehr lebendige und herausfordernde Zeit.“ Vor dem aus gesundheitlichen Gründen angekündigten Rücktritt von Abt Stephan überlegten die Mönche, welche Eigenschaften ihr neuer Oberer braucht. Gleichzeitig entschieden sie, ihren Abt nicht mehr auf Lebenszeit, sondern nur noch für zwölf Jahre zu wählen. Mit Dominicus stimmten die Mönche dann für einen Mitbruder, der erst einmal die Kräfte nach innen sammelte. Als Kirchenrechtler präge ihn das strukturierte Denken, sagt Abt Cosmas. „Er kann Dinge gut einordnen, auf sich wirken lassen und dann entscheiden.“ Und: „Die Sammlung ist ihm wirklich wichtig.“ Das zeigt auch das Leitwort von Abt und Bischof Dominicus: „Durch Christus werden wir zusammengeführt.“ 

Die Liebe zur Liturgie war es, die Dominicus Meier, damals noch unter dem bürgerlichen Namen Michael Meier, ins Kloster führte. Wie er selbst erzählt, war er vorher als Messdiener und Küster in seiner Heimatpfarrei aktiv. Mit dem Kloster wählte er eine Gemeinschaft, in der er seine Gottsuche und die Liebe zur Liturgie mit anderen teilen konnte. „Einen Orden prägt das Gemeinschaftsleben“, sagt Abt Cosmas. Anders als ein Priester, der in einer Gemeinde lebt, seien Mönche „in einer Gemeinschaft mit Menschen auf Augenhöhe“. Eine Gemeinschaft, die den Einzelnen auch anfragt, kritisiert und korrigiert. 

„Das Leben im Kloster ist eine Möglichkeit zur persönlichen Entwicklung und Reifung“, sagt Abt Cosmas. Bei den Benediktinern noch einmal besonders: Denn neben den üblichen Gelübden von klösterlichem Leben und Gehorsam haben die Benediktiner noch das Gelübde der Beständigkeit, der Stabilitas. Während etwa Franziskaner innerhalb einer Ordensprovinz immer mal wieder das Kloster wechseln, binden sich Benediktinerinnen und Benediktiner für ihr ganzes Leben an eine Klostergemeinschaft. „Wenn es nicht läuft, gehe ich: Das gibt es hier nicht. Ein solcher Orden ist wie eine Familie. Das kann auch anstrengend sein“, sagt der Abt.

Mönche in einem Kloster sind keine WG, kein Freundeskreis, der zusammenwohnt, sondern eine Gemeinschaft von individuellen Gottsuchern. Mit sehr unterschiedlichen, manchmal speziellen Charakteren, Auffassungen und Glaubenswegen. „Was uns eint, ist das Stundengebet“, sagt Pater Maurus, der für die Öffentlichkeitsarbeit des Klosters verantwortlich ist. Von einer solchen Klostergemeinschaft, die es trotz aller Buntheit miteinander aushält, könne die ganze Kirche lernen, meint der Pater. 

Immerhin sind die Mönche keine abgeschottete Gemeinschaft. In Königsmünster leben Missionsbenediktiner, also eine Gemeinschaft, die sich der Mission verschrieben hat. „Ich bin in eine Abtei eingetreten, die mit Jugendarbeit und Schule nach außen auftritt und sich nicht abschottet“, sagt Bischof Dominicus in einem Video des Bistums Osnabrücks. Mehr als 600 Schülerinnen und Schüler besuchen das Gymnasium der Mönche. Fährt man den Berg zum Kloster hoch, muss man erst einmal an der Schule vorbei. Vor dem Klassentrakt seht ein großer Bau aus Glas und roten Ziegeln. Das Abteiforum. In der Zeit von Abt Dominicus geplant, 2015 eingeweiht. Es beherbergt die Schulmensa, die auch als Veranstaltungssaal etwa für Kulturveranstaltungen oder Feste des Klosters genutzt wird, sowie die Klostergaststätte. Der Schulhof des Gymnasiums grenzt direkt an die Abteikirche. Darauf folgt ein Abteiladen und erst dann kommt das Kloster. 

Bevor Dominicus Abt wurde, vertrat er das Kloster als Schulträger, zum Beispiel in Gesprächen mit der Politik. Dieses Thema wird ihm auch in Osnabrück wieder begegnen. Angesichts der Sparzwänge steht die Frage im Raum, wie es mit den Schulen im Bistum Osnabrück weitergehen soll.

Belgisches Klosterbier "Pater Linus"

Hinter dem Kloster steht der Wirtschaftshof. Im Rechteck gruppieren sich um einen geteerten Platz einstöckige schlichte Zweckbauten, fast wie Baracken: eine Schmiede, eine Tischlerei, Lagerräume und Sozialräume für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein Bild wie in anderen Unternehmen auch. Doch an einer Wand steht ein großes Kreuz, im Hintergrund erhebt sich die Abteikirche. Die Landwirtschaft haben die Mönche schon vor Jahren aufgegeben. Wo früher Maschinen standen, werden heute Holzhackschnitzel gelagert, mit denen ein Blockheizkraftwerk betrieben wird – das wurde unter Abt Dominicus gebaut.

Engel im Kreuzgarten
Ein Engel im Kreuzgarten. Foto: Roman Weis

Rund 100 Menschen arbeiten für die verschiedenen Betriebe der Mönche, in der Schule, in den Gästehäusern. Ein Kloster muss sich aus eigener Kraft unterhalten. Öffentliche Zuschüsse gibt es für Bildungsarbeit oder für die Schule. Aber das reicht nicht. So verdient die Kunstschmiede mit Schmuck und besonderen Kunstwerken ihr Geld. Für die Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft, die 2024 im nahen Winterberg stattfand, bekam die Schmiede den Zuschlag, 72 Pokale aus Titan, Glas, Holz und Schiefer zu fertigen. Das Salbgefäß, das Dominicus als Weihbischof bei Firmungen für das Chrisam bereits nutzt, stammt auch aus dieser Werkstatt. Ebenso gehört zum Kloster eine Weberei, die Messgewänder nicht nur für katholische Gottesdienste produziert. Und im Klosterladen steht neben frommen Büchern und Kreuzen aus der Schmiede auch Bier im Regal: „Pater Linus“ heißt das belgische Klosterbier, das extra für Königsmünster gebraut wird. Benannt wurde es nach dem ersten Prior. Geschäftsführer der Klosterbetriebe ist der Abt. Ums Tagesgeschäft kümmern sich ein kaufmännischer Leiter und der Cellerar, der Wirtschaftsverwalter des Klosters. Einmal im Jahr müssen die drei die Bilanzen dem Konvent vorstellen. 

Auch als Bischof bleibt Dominicus Teil der Gemeinschaft. Noch immer hat er ein Zimmer im Kloster. Mit Gemeinschaftsbad und -toilette. Eben wie bei einer Familie. Aus Paderborn kam er regelmäßig in sein Kloster. Aus dem weiter entfernten Osnabrück und mit dem Kalender eines Diözesanbischofs wird das schwieriger werden. Seine Rechte als Mitglied der Mönchsgemeinschaft, etwa bei Abstimmungen, ruhen. Als Bischof untersteht Dominicus nicht dem Abt, sondern dem Papst. Wenn Dominicus als Bischof in seiner alten Abtei die Messe feiert, wird er die Krümme seines Hirtenstabes nach hinten drehen. Als Zeichen, dass er zwar Bischof, aber als solcher hier nur Gast ist.

 

Was ein Benediktinerabt mit ins Bischofshaus mitbringt, lesen Sie in diesem Artikel: "Von der Klosterzelle ins Bischofshaus".

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Ulrich Waschki