Interview mit Bischof Georg Bätzing zum Abschluss der Europa-Etappe der Weltsynode
"Prag war anstrengend, Rom wird anstrengender"
Nach fünf Tagen ist in Prag die "Europa-Etappe" der Weltsynode zu Ende gegangen. Bei den Vorstellungen der Vertreter aus allen Ländern des Kontinents traten deutliche Differenzen zutage. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, zieht im Interview eine erste Bilanz.
Die erste europäische Synodalversammlung endet mit einem vorläufigen Abschlusspapier. Was sind die Stärken und die Schwächen in diesem Text?
Die Stärken und Schwächen bilden den Prozess ab, den wir hier gemeinsam begonnen haben. Eines geht klar daraus hervor: Die Zukunft der Kirche wird synodal sein. Und das hier war eine erste Erfahrung davon auf europäischer Ebene. Das wiederum bedeutet eine riesige Spannbreite von Lebenswirklichkeiten, kulturellen und politischen Realitäten - und auch Spannung und Diversität. Eine Stärke ist: All das ist zutage getreten und ausgesprochen worden; alles wurde in Ruhe gehört und in den Gruppen vertieft. Mehr als eine Bestandsaufnahme haben wir aber noch nicht erreicht. Auch das spiegelt sich im Schlussdokument - und das ist zugleich seine Schwäche. Es wurde treu protokolliert, was stattfand; aber das ist ja nur ein erster Schritt.
Die deutschen Beiträge kommen in dem Schlusstext kaum vor...
An genau zwei Stellen, und auch das nur sehr allgemein. Aber andererseits sind alle Themen, die uns wichtig sind, in dem Text explizit drin. Und das zeigt, dass wir nicht die einzigen sind, die das alles bewegt. Themen wie Frauenrechte oder LGBTQ-Ausgrenzung wurden eben auch von den Delegationen aus Luxemburg, aus der Schweiz, aus Irland usw. benannt. Und daran sieht man, dass unsere Themen keine Sonderthemen, sondern in der Weltkirche präsent sind.
Gab es unerwartete Konvergenzen und Allianzen?
Ich war überrascht, von wie vielen diese Fragen genannt wurden, immer und immer wieder. Dass die Kirche Menschen verletzt hat, dass sie sich dem stellen muss und dass sie als Kirche eine Umkehr braucht: Das waren Formulierungen, die immer wieder auftauchten. Ebenso die Einschätzung, dass sexueller Missbrauch ein Verbrechen von Mitgliedern der Kirche an Mitgliedern der Kirche ist. Das war für mich in der Breite neu; auch dass die Kirchen in Osteuropa bekennen, dass es dort ebenso Missbrauch und Vertuschung gab.
Und wie geht es jetzt weiter? Werden die Bischöfe, die ja noch zwei Tage in Prag zusammenbleiben, ein eigenes Dokument verfassen?
Ich werde mich dafür einsetzen, dass der Text, zu dem die gesamte europäische Synodal-Versammlung beigetragen hat, nicht durch ein zweites Papier relativiert wird. Ich hoffe, dass wir Bischöfe untereinander noch etwas offener und vertiefter über unsere Spannungen und Divergenzen sprechen werden. Und dann muss das alles auch in die Weltsynode im Oktober in Rom einfließen. Das ist dann nicht zuletzt die Aufgabe der Kardinäle Grech und Hollerich, die ja beide hier die ganze Zeit dabei waren. In beide habe ich großes Vertrauen.
Und was sind die Aussichten für Rom?
Prag war anstrengend - und Rom wird noch anstrengender werden. Der Papst lädt uns mit der Weltsynode zu einem echten Abenteuer ein; das hat es so noch nicht gegeben. Der Kraftaufwand wird hoch sein; es wird Enttäuschungen geben, und wir werden noch deutlicher sehen, dass wir mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Ich wäre froh, wenn es auf Ebene der Weltkirche erlaubt würde, dass in einigen Ortskirchen Dinge möglich sind, die in anderen Teilen nicht oder noch nicht relevant sind. Wir brauchen eine neue Hermeneutik des Katholischen, in der Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten unter einem Dach ihren Ort haben und leben dürfen.
Für welche Themen gilt das?
Das gilt für künftige Gremien wie einen Synodalen Rat. Wenn er das Bischofsamt nicht einschränkt, sehe ich keinen Grund, warum er nicht in einigen Ländern eingeführt werden kann. Den Brief der drei Kardinäle aus Rom zu diesem Thema kann ich nach den Erfahrungen von Prag noch viel weniger verstehen! Die andere Frage ist die der Anerkennung der Vielfalt von Geschlechtlichkeit. Da brauchen wir vor allem in Westeuropa neue Wege, wie wir allen Menschen unabhängig von ihrer Identität und Orientierung einen vollwertigen Platz in der Kirche geben können, wenn sie ihr Leben aus dem Glauben treu und verantwortungsbewusst gestalten. Und es gilt für den Zölibat der Priester. So wie es jetzt schon die verheirateten Diakone in manchen Ländern gibt und in anderen nicht, so könnte es künftig auch mit verheirateten Priestern sein.
kna