Bei der Weltsynode werden Machtfragen diskutiert
Schluss mit dem Monopol
Foto. kna/Julia Steinbrecht
Mitte August. Mariä Himmelfahrt. Während der Festmesse in der Herz-Jesu-Kathedrale in Pakistans Hauptstadt Lahore teilte Generalvikar Asif Sardar den verblüfften Gläubigen mit: „Wir beten für unseren Erzbischof. Gott möge ihm Gesundheit schenken. Er wird ein Sabbatjahr einlegen.“ Schon länger hatte es Kritik an Erzbischof Sebastian Shaw gegeben. Von sexuellen Übergriffen, Korruption und finanziellen Unregelmäßigkeiten war die Rede. Was den Vatikan nun bewog, Shaw zu suspendieren, kann nur vermutet werden. Denn offizielle Stellen hüllen sich in Schweigen.
Es kommt oft vor, dass Rom Bischöfe nach solchen Vorwürfen ohne Angabe von Gründen entlässt – und erst nach quälend langer Zeit. Auch deshalb fordern Katholiken auf der ganzen Welt mehr Transparenz und Mitverantwortung – in den Bistümern, aber auch in den Pfarreien. Die Frage, wie die Macht in der Kirche künftig besser geteilt werden kann, ist eine der wichtigsten bei der bald beginnenden zweiten Sitzung der Weltsynode in Rom.
Die in Erfurt lehrende niederländische Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens arbeitet seit Jahren dazu und ist als theologische Beraterin in Rom dabei. Sie sagt: „Länder, die besonders vom sexuellen Missbrauch betroffen sind, schauen vor allem auf die systemische Dimension des Machtmissbrauchs. Länder mit hoher Korruption fordern vor allem mehr Transparenz bei den Finanzen.“
Der Bochumer Bibelwissenschaftler Thomas Söding, Vize-Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und wie Wijlens als theologischer Experte bei der Synode eingebunden, stimmt dieser Problemanalyse zu. Er sagt, das Zweite Vatikanische Konzil habe das geistliche Amt – also Bischöfe und Priester – so definiert, „dass es ein Monopol hat“. Doch diese Machtstellung, so sagt Söding, „kommt an eine doppelte Grenze: Missbrauch, Korruption und Missmanagement auf der einen, Überforderung auf der anderen Seite“.
Wie ließe sich das Problem lösen? Söding fordert Regeländerungen, die verbindlich dafür sorgen, dass Macht in der Kirche geteilt wird. Wijlens betont dagegen, dass Strukturen alleine nicht reichen, und setzt vor allem auf eine andere Kultur. Die Synode in Rom, bei der Priester, Bischöfe, Laien, Frauen und Männer gemeinsam an runden Tischen vertraulich hinter verschlossenen Türen beraten, einander zuhören und einen Konsens suchen, „ja, miteinander ringen, wie es in der weltweiten Kirche gemeinsam weitergehen kann“, ist für Wijlens ein Schritt zu dieser anderen Kultur. Sie ermutigt Mitglieder in den schon heute bestehenden kirchlichen Gremien, ihre Rolle ernst zu nehmen und „Dinge nicht einfach hinzunehmen, sondern zu hinterfragen“.
„Wir brauchen weniger Gremien, die aber mehr zu sagen haben“
Wenn sich etwa ein Bischof bei einem abendlichen Treffen mal eben nebenbei von seinem Domkapitel eine Entscheidung absegnen lassen wolle, müssten die Domkapitulare eine ordentliche Beratung einfordern, sagt die Kirchenrechtlerin Wijlens. Menschen sollten nicht Mitglieder in mehreren Gremien sein, Amtszeiten begrenzt werden. Wichtig sei auch, Entscheidungen von externen Fachleuten überprüfen zu lassen. In solch einer anderen Kultur brauche ein Pfarrer im Gemeinderat kein Vetorecht, weil er vorher mit den Gemeindemitgliedern die besten Argumente ausgetauscht habe.
Timothy Radcliffe, britischer Dominikaner und geistlicher Assistent der Weltsynode, stimmt ihr zu. Er schreibt in einem Leserbrief an die Zeitschrift „The Tablet“: „Die Wandlung der Kultur der Kirche kann nicht schnell und nicht hauptsächlich dadurch erreicht werden, dass man Regeln ändert. Ein Blick auf unsere Schwesterkirchen zeigt, dass sie mindestens genauso klerikal bleiben wie die römisch-katholische Kirche, obwohl sie beispielsweise die Weihe von Frauen und Männern kennen.“
Der Bibelwissenschaftler Söding hingegen sagt: „Die Kultur ist wichtig, aber es braucht auch eine Struktur.“ Er wünscht sich „ein katholisches Modell von Synodalität, also keine Synode im Gegenüber zum Bischofsamt“, sondern ein Gremium der gemeinsamen Entscheidung von Bischöfen, Priestern und Laien. Wenn Entscheidungen gemeinsam getroffen würden, glaubt er, würden sie auch an Legitimität gewinnen.
„In Deutschland brauchen wir weniger Gremien, die aber mehr zu sagen haben“, sagt Söding, etwa bei Finanzen, Personal oder pastoralen Strukturfragen. „Entscheidend ist, was bei einem Konflikt passiert.“ Als Vorbilder nennt er die Regeln in den Bistümern Rottenburg-Stuttgart und Limburg. In Limburg muss der Bischof begründen, wenn er einem Beschluss des Diözesansynodalrates nicht zustimmt. Danach kann der Rat erneut abstimmen, braucht aber eine Zweidrittel-Mehrheit. Wenn der Bischof dann immer noch nicht zustimmt, muss er das wieder begründen. Danach kann ein Verfahren zur Konfliktlösung anlaufen. Das letzte Wort hat der Bischof. Er muss sich aber der Diskussion stellen. Der Druck zur Einigung ist für beide Seiten hoch.
Im Bistum Münster gehören Laien bald zu Leitungsteams
In den Pfarreien ist Deutschland schon weiter als viele Teile der Welt: Wegen der Kirchensteuer gibt es Kirchenvorstände oder Kirchenverwaltungen, die über die Finanzen der Pfarrei entscheiden. Der Pfarrer kann nicht eigenmächtig das Pfarrheim umbauen, die Heizung abstellen oder eine Erzieherin für den Kindergarten einstellen.
In anderen Fragen sind andere Regionen weiter. Im Amazonasgebiet etwa gebe es die kollegiale Leitung von Priestern und Laien, betont Söding. Die hat nun auch in seinem Heimatbistum Münster Einzug gefunden: Gerade hat Bischof Felix Genn ein Leitungsmodell verabschiedet, nach dem künftig pastorale Räume von einem Team aus einem Pfarrer sowie haupt- und ehrenamtlichen Laien geleitet werden sollen.
Zu den Personen: > Myriam Wijlens ist Professorin für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. > Thomas Söding ist Seniorprofessor für Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Uni Bochum.