Meppener Kreuztracht fällt aus

Vier Stunden Radio am Karfreitag

Image
20_04_wuebbe.jpg

Kein Meppener kann sich daran erinnern, dass die Kreuztracht jemals ausgefallen ist. Nun darf dieser Passionsgang wegen der Corona-Krise nicht stattfinden. Dafür gibt es vier Stunden Radio – auch mit dem Weihbischof.


Am Mikrofon: Weihbischof Johannes Wübbe spricht seinen Text für die Radiosendung zur Kreuztracht ein. Foto: Ulrich Waschki

„Es ist 8 Uhr, heute ist Karfreitag.“ Wenn Reinhard Büring mit diesen Worten die Radiosendung auf der Ems-Vechte-Welle eröffnet, wird es eine ganz andere werden, als die Zuhörer es sonst gewohnt sind. Keine Live-Übertragung des Gottesdienstes aus der Meppener Propsteikirche, keine Kreuztracht durch die Straßen der Altstadt. Wegen der Corona-Pandemie fällt alles aus – vermutlich zum ersten Mal seit Gründung dieser Tradition im Jahr 1647. 

Aber eben nicht das ganze Programm zu Karfreitag soll ausfallen. Reinhard Büring hat trotzdem mit Martha Ortmann und Norbert Niers eine Radiosendung auf die Beine gestellt: vier Stunden lang, von 8 bis 12 Uhr. Seit Jahrzehnten schon gestaltet dieses ehrenamtliche Team den Radio-Vormittag und die Kreuztracht am Karfreitag – wählt passende Musik aus, schreibt Fürbitten und Meditationen. „Wir wollten es auch jetzt nicht absagen. Die Ems-Vechte-Welle hat uns das Sendefenster offengehalten und wir wollen es füllen“, sagt der 82-Jährige.

Jede der vier Radio-Stunden wird nach derzeitigem Plan einen anderen Schwerpunkt haben. Zuerst gibt es ab 8 Uhr Musik, die zum Charakter des Karfreitags passt, und dazu Kurzgeschichten von Anselm Grün. Die zweite Stunde dreht sich um den Fastenhirtenbrief von Bischof Franz-Josef Bode. Nach den aktuellen Nachrichten wird Inga Schmitt aus dem Osnabrücker Seelsorgeamt ab 10.03 Uhr zunächst das Evangelium von der Salbung Jesu im Haus des Simon verlesen.

Und danach wird Weihbischof Johannes Wübbe, der sonst im Gottesdienst die Predigt gehalten hätte, einen Bogen schlagen von der Gründung der Kreuztracht bis zur Pandemie des Corona-Virus. Gedanken zum Leiden Jesu greift außerdem eine Betrachtung von Susanne Krahe (Deutschlandfunk) mit ihrem Beitrag „Annehmen und abwarten“ auf. In der letzten Stunde bis 12 Uhr haben Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums St. Ursula aus Haselünne das Wort. Im Mittelpunkt stehen dabei die Abschiedsbriefe einer an Krebs erkrankten Schülerin. Schon vor sieben Jahren gab es dazu eine Sendung mit vielen bewegenden Reaktionen.

„Jesus fällt, aber er steht auch immer wieder auf“


Tausende Menschen waren im vergangenen Jahr zur Kreuztracht nach Meppen gekommen. An diesem Karfreitag muss sie ausfallen. Foto: Petra Diek-Münchow

Dass die Zuhörer sich anrühren lassen – das ist für Reinhard Büring einer der Gründe, sich seit fast 50 Jahren für die Kreuztracht zu engagieren. „Ich kann dort viele Gedanken unterbringen, die mir sehr wichtig sind“, sagt der frühere Hauptschullehrer. Er meint damit vor allem die Leidensgeschichte Jesu, über die er viel nachgedacht und die in seinem Leben eine große Rolle gespielt hat. „Jeder von uns hat doch schon solche Kreuzwege gehen müssen“, sagt er. „Jesus fällt, aber er steht auch immer wieder auf. Daraus ziehe ich Trost für mein eigenes Leben.“

Dass die Kreuztracht für die Tausende Teilnehmer kein bloßes Schauspiel ist, weiß auch Norbert van Leeuwen. „Jeder nimmt dabei etwas mit, auch Kirchenferne und Zweifler“, davon ist der Vorsitzende der Meppener Kreuzträger-Bruderschaft überzeugt. Diese Gruppe sorgt für die Meppener Kreuztracht Jahr um Jahr, für viele Mitglieder ist das eine Familientradition. Van Leeuwen geht sonst als Lanzenträger direkt neben dem unbekannten Jesus-Darsteller.  

Dass der Passionsgang nun das erste Mal ausfallen muss, ist für alle bitter und sehr traurig, aber eben nicht zu ändern: „Man muss es hinnehmen, das ist eben so.“ Auch Norbert van Leeuwen wird nun am Karfreitag am Radio sitzen und zuhören. 

Petra Diek-Münchow

Der Radiosender Ems-Vechte-Welle ist nach eigenen Angaben im südlichen und in Teilen des mittleren Emslands auf der Frequenz 95,6 MHz, im nördlichen Emsland auf 99,3 MHz und im Raum Nordhorn auf 95,2 MHz zu empfangen - außerdem über einige Radio-Apps auf dem Handy und zum Teil im Internet.