AfD in ostdeutschen Bistümern auf dem Vormarsch
Was wäre, wenn …
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Als die deutschen Bischöfe Ende Februar erklärten, dass die AfD für Christinnen und Christen nicht wählbar ist, staunten viele über die klare Position der katholischen Kirche. In dem einstimmig beschlossenen Papier machten sie deutlich, dass die größte Gefährdung für die Demokratie derzeit von der AfD und anderen rechten Parteien ausgeht.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September und am 22. September in Brandenburg könnte die AfD erstmals stärkste Kraft werden. Damit bekäme sie nicht nur im Landtag mehr Einfluss. Viele fürchten, dass sie sogar Teil einer Landesregierung werden könnte.
Das bleibt Spekulation. Doch „der Einfluss der AfD und anderer rechtsgerichteter Kräfte wird zunehmen“, sagt Daniela Pscheida-Überreiter – und sieht die Gefahr für die Menschen in diesen Bundesländern. Pscheida-Überreiter leitet das Katholische Büro in Sachsen und vertritt die Bistümer gegenüber Landtag und Landesregierung.
Mit dem Erstarken der AfD droht aus ihrer Sicht die Diskriminierung vieler Menschen. Denn in rechten Parteien herrscht ein Menschenbild, „das wir als Christinnen und Christen nicht wollen können“, sagt Pscheida-Überreiter. „Ein Menschenbild, das auf Leistung basiert. Das Gruppen definiert, die vom Staat versorgt werden, und andere, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer verminderten Leistungsfähigkeit, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Partnerwahl ausgeschlossen sind.“
Die Programme und Äußerungen der AfD zeigen ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber vielen Menschen. Glaubt man dem, würden etwa Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Schutzsuchende den Staat lediglich ausnutzen. Der Steuerzahler wird als Opfer präsentiert. Das christliche Menschenbild schützt dagegen alle Menschen, unabhängig von ihrer Leistung, „weil wir alle Geschöpfe Gottes sind“, sagt Pscheida-Überreiter.
Was wird beispielsweise mit der Inklusion von Menschen mit Behinderung, sollte die AfD mehr Einfluss bekommen? „Wenn ich höre, was die AfD zum Thema Inklusion sagt, stellt sich mir die Frage: Wird es weiterhin auch staatlich unterstützt werden, dass wir uns um behinderte Menschen kümmern?“, sagt Pscheida-Überreiter. Tatsächlich wird Inklusion in Äußerungen der Partei als gescheitert betrachtet und soll nicht fortgeführt werden. Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen sollen beispielsweise grundsätzlich separat an Förderschulen unterrichtet werden.
Die Lösungen, die rechte Parteien für gesellschaftliche Probleme präsentieren, „führen oft zur Verachtung von Menschen und Minderheiten, die nicht ins System passen“, sagt Pscheida-Überreiter. „Wo bleibt dann die Entfaltungsfreiheit des Einzelnen?“ Die betrifft auch Kinder und Jugendliche, die als schwierig gelten, Schulabbrecher und junge Leute, die nicht den Übergang in die Berufsausbildung schaffen. Pscheida-Überreiter erwähnt die teils staatlich geförderte Kinder- und Jugendsozialarbeit bei den Salesianern in Sachsen. Sie unterstützen unter anderem Jugendliche dabei, einen Hauptschulabschluss nachzuholen. „Es stellt sich die Frage, ob kirchliche Einrichtungen von der Politik weiterhin anerkannt und unterstützt werden, auch finanziell“, sagt sie.
Bei einigen Katholiken populär
Aber gibt es nicht auch christliche Positionen in der AfD? „Alle Menschen, gerade auch Christinnen und Christen, sollten genau hinschauen und sich von vordergründigen thematischen Überschneidungen nicht täuschen lassen“, sagt Pscheida-Überreiter. Die AfD sei bei einigen Katholiken populär, weil sie Abtreibungen ablehnt. Dahinter stehe aber nicht die Würde und die Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen, sagt Pscheida-Überreiter. Denn dann ginge es genauso um die Würde der Schwangeren wie um die Würde des ungeborenen Kindes. „Es geht der Partei wohl eher darum, den Volkskörper zu erhalten. Und dann darf kein Kind abgetrieben werden, vor allem kein deutsches Kind.“
Pscheida-Überreiter hofft, „dass wir als Kirche weiterhin klar bleiben und deutlich machen, dass wir die Positionen der AfD nicht mittragen.“ Für sie geht es dabei nicht um die einzelne politische Forderung, „sondern um das, was dahintersteht: das Ausschließende, Kleinmachende, Verachtende gegenüber bestimmten Gruppen“. Doch wie könnte die Zusammenarbeit im Landtag ohne die AfD funktionieren? Je nach Wahlergebnis dürfte eine Regierungsbildung sehr schwierig werden. „Die demokratischen Parteien sind aus meiner Sicht mehr denn je aufgefordert, die politische Kultur in einem neuen Sinne wieder neu zu beleben“, sagt Pscheida-Überreiter. Die Frage sei: „Wie geht man miteinander um? Hört man sich über Parteigrenzen hinweg zu? Könnte es sein, dass der Andere etwas sagt, was richtig ist und der erste Schritt zu einem Kompromiss sein könnte?“
Leicht werde es nicht werden, sagt Daniela Pscheida-Überreiter. „Die populistischen Parteien werden die Zusammenarbeit angreifen, je stärker sie werden.“