Kirche und Gesellschaft in Polen haben Joanna Konopinska eher ein bedrückendes Gottesbild vermittelt
Wenn Gott zum Freund wird

Gott ist einer, der aufrechnet – vor allem Sünden: Joanna Konopinska ist mit diesem Bild aufgewachsen. Dann kam der religiöse Kulturschock. Und wahre Demut.

ein Ausdruck ihrer Bindung an Gott. | Fotos: Wala
Es waren die Verkehrsbetriebe. Sogar zwei. Die aus Posen und die aus Hannover. Sie haben den Glauben von Joanna Konopinska verändert. Zumindest waren sie der Anstoß.
Aber der Reihe nach: 1972 im polnischen Posen geboren übersiedelt Joanna Konopinska 1984 nach Deutschland. Vater und Mutter sind Ingenieure. Ihr Vater, schon ein Jahr vorher nach Hannover gekommen, wurde von den Posener Verkehrsbetrieben zu den Verkehrsbetrieben der niedersächsischen Landeshauptstadt abgeordnet. Für drei Jahre. Es wurden mehr.
„Meine Familie ist sehr religiös“, berichtet Joanna Konopinska – älteste Schwester von vier Brüdern. Doch Kirche und Gesellschaft in Polen haben ihr eher ein bedrückendes Gottesbild vermittelt: „Gehst du nicht in die Kirche, kommst du in die Hölle.“ Nicht Liebe, nicht Hoffnung ist Kern des Glaubens, sondern Sünde. Glaube war ein Regelwerk. Wer sich nicht an die Regeln hält, bekommt irgendwann die Rechnung. Es sei denn, man beichtet und wird losgesprochen. „Für Kinder ist so ein Bild schlimm.“ Zwar erzählt ihre Mutter auch vom liebenden, vom beschützenden Gott – aber unterm Strich ahndet er eher, als er vergibt.
In Deutschland erlebt Joanna Konopinska einen „religiösen Kulturschock“. Im Religionsunterricht werden streitbare Autoren gelesen wie Hans Küng und Uta Ranke-Heinemann: „Für mich waren das alles Ketzer.“ Sie weigert sich den Film „Die letzte Versuchung Christi“ anzuschauen: „Da wird mein Gott beleidigt.“ Aber diese andere Sicht auf Glauben und Kirche rüttelt etwas in ihr wach. „Mein Bild von Gott hat sich verändert, mein Glaube ist eigenverantwortlich geworden“, erläutert sie.
Das verändert zum Beispiel den Umgang mit der Beichte. Nach wie vor beichtet Joanna Konopinska regelmäßig. Aber es geht nicht mehr um bekennen und büßen. Es geht um Nachdenken „über mich selbst, auch darüber, wie ich mir selbst vergeben kann“. Kein abgespultes Ritual, sondern eine wirkliche Auseinandersetzung: „Das ist heilsam, das macht wirklich demütig.“
Das wirkt sich auch auf ihren Beruf aus. Joanna Konopinska ist Anwältin. Zwar beschäftigt sie sich überwiegend mit Arbeits- und Wirtschaftsrecht. Doch verteidigt sie auch mutmaßliche Straftäter. Ihr Ziel: „Ein gerechtes Urteil – und dafür bete ich auch vor einer Verhandlung zum Heiligen Geist.“
Beten, das Gespräch mit Gott – das trägt Joanna Konopinska: „Ich bin selbständig, da gibt es Höhen und Tiefen – beten hilft, das auszuhalten.“ Oder harte Debatten vor Gericht. Oder andere widrige Ereignisse im Alltag.
Oder sogar tiefe Krisen. Joanna Konopinska ist in das gerutscht, was Psychologen heute als Burn-out bezeichnen. Sie war ausgebrannt. Geackert ohne Ende, voll von Selbstzweifeln, zerfressen von dem Gedanken, „warum passiert das mir, ich bin doch stark“. Das war zudem eine Zeit des Haderns mit Gott. Aber die Bindung an Gott, der für sie „Schöpfer, aber auch Freund“ ist, half die Krise zu überwinden – und natürlich auch therapeutische Hilfe. Der viel zitierte Satz „Man kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“ hat heute für Joanna Konopinska eine ganz andere, eine tiefere Bedeutung.

hat ihn immer dabei – Zeichen der
Freundschaft mit Gott.
Die Bindung an Gott überträgt sie auf ihre Kirche. Joanna Konopinska engagiert sich im Kirchenvorstand ihrer Pfarrgemeinde. Sie kümmert sich dabei auch um den Unterhalt der Basilika St. Clemens, des mit 300 Jahren ältesten katholischen Gottes-hauses Hannovers. Sie singt im Propsteichor und wirkt als Kantorin im Gottesdienst mit: „Ich liebe die Musik von Johann Sebastian Bach – damit kann man sich wirklich mit Gott verbinden.“
Joanna Konopinska schätzt die Möglichkeiten, sich in die Gemeinde einzubringen: „Man kann hier in Deutschland etwas mit Idealismus bewegen.“ Das sei schon ein Unterschied zur polnischen Kirche, in der solche demokratischen Strukturen noch nicht sehr verbreitet sind. „Ich erfahre hier Wertschätzung, auch als Frau, kann meine Kompetenz einbringen, kann beraten – das ist eine wunderbare Situation.“
Kompetenz einbringen – das macht Joanna Konopinska noch an zwei anderen, für das Bistum Hildesheim durchaus entscheidenden Stellen. Zum einen in der Schlichtungsstelle für Streitigkeiten bei pastorale Angelegenheiten. Diese Stelle kann bei Krisen zwischen Gremien einer oder mehrerer Pfarreien oder mit Hauptamtlichen angerufen werden.
Zum anderen gehört Joanna Konopinska einer Steuerungsgruppe an, die eine neue Rahmenordnung erarbeitet, um Verfahrenswege im Umgang mit Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt klar zu regeln. Ein vom Bistum selbst in Auftrag gegebenes Gutachten hat deutliche Versäumnisse im Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch aufgezeigt. Das beauftragte Institut für Projektberatung und Praxisforschung (IPP) gibt deutliche Empfehlungen: „Wir wollen zu einheitlichen Regelungen kommen, damit die dunklen Stellen in unseren Strukturen aufgedeckt werden.“ Joanna Konopinska schaut dabei auf die juristischen Belange.
Die Bindung an Gott hat auch ein sichtbares Zeichen: Ein Fingerrosenkranz aus dem Benediktinerinnenkloster Marienrode bei Hildesheim. Das erinnert Joanna Konopinska: Gott ist zum Freund geworden, er schützt, er verlässt sie nicht. Ein Segen, den sie gern für andere erbittet.
Rüdiger Wala