Trauernde Kinder begleiten

Wie ein Sprung in die Pfütze

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Vor einer Bunt bemalten Wand stehen viele kleine Töpfe und Pinsel
Nachweis

Foto: Jasmin Lobert

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Im Spes Viva Trauerland können die Kinder tun, worauf sie Lust haben. Im Kreativraum dürfen sie sogar die Wände bemalen. Foto: Jasmin Lobert

Wenn ein Angehöriger stirbt, stellt sich die Frage: Wie sagen wir es den Kindern? Sandra Kötter vom Spes Viva Trauerland, einem Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche im Landkreis Osnabrück, gibt Tipps, wie Eltern ihre Kinder begleiten können.

Was Eltern beim Verlust eines Angehörigen auf gar keinen Fall tun sollten: ein Geheimnis aus dem Tod machen. Denn Kinder haben ganz feine Antennen und merken sofort, dass etwas anders ist. „Wenn die Eltern versuchen, etwas zu verbergen, geht das Kopfkino los und die Fantasie ist in der Regel schlimmer als das, was tatsächlich vorgefallen ist“, sagt Sandra Kötter, Geschäftsführerin des Hospizvereins Spes Viva. Im Trauerland rufen ständig verunsicherte Eltern an, die nicht genau wissen, wie sie ihren Kindern den Tod eines Angehörigen beibringen sollen.

Kötter rät, möglichst nah an der Wahrheit zu bleiben und sich nicht irgendwelche Geschichten auszudenken. Auch Floskeln wie „Opa ist eingeschlafen“ oder „Wir haben Opa verloren“ sollten Eltern im Gespräch mit ihren Kindern vermeiden. Sie verstehen diese Aussagen nicht, weil sie die nicht übersetzen können. „Warum gehen wir ihn dann nicht suchen?“, fragen die Kinder dann. Oder sie bekommen Probleme beim Einschlafen, weil sie Angst haben, zu sterben. So wie Opa, als er eingeschlafen ist.

Wie kann es sein, dass Opa in der Kiste liegt und gleichzeitig im Himmel ist?

Eine Frage, die im Spes Viva Trauerland fast jede Woche gestellt wird, ist: „Soll ich mein Kind zur Beerdigung mitnehmen?“ Da ist Kötter ganz klar: „Wenn sich die Kinder weigern, dann sollen sie dazu auch nicht gezwungen werden.“ Allerdings ist es oft so, dass Eltern ihre Kinder unter dem Vorwand zu Hause lassen, dass „sie das Ganze doch eh noch nicht verstehen“. Kötter dagegen empfiehlt, die Kinder nicht auszuschließen. „Auch wenn sie noch so klein sind, bekommen sie mit, dass alle Familienmitglieder zu einer wichtigen Veranstaltung gehen und sie zu Hause bleiben müssen. Zu Hochzeiten oder Geburtstagen werden die Kinder ja auch mitgenommen, obwohl sie nicht alles verstehen.“

Porträtfoto von einer Frau mit kurzen Haaren
Sandra Kötter ist Geschäftsführerin des Hospizvereins Spes Viva, der auch ein Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche betreut. Foto: Jasmin Lobert

Wenn die Eltern Bedenken haben, ist es wichtig, den eigentlichen Ängsten auf den Grund zu gehen. So befürchten manche, dass die Kinder von einer Beerdigung traumatisiert werden könnten. Kötter spricht ihnen dann Mut zu: „Kinder bekommen kein Trauma, weil sie zu einer Beerdigung gehen. Den Verstorbenen zu sehen und zu berühren, kann ihnen sogar dabei helfen, zu begreifen, dass der Mensch wirklich tot ist.“ Dazu müssen die Eltern ihre Kinder an die Hand nehmen und ihnen all ihre Fragen beantworten. Die Familie könnte sich zum Beispiel schon vor der Trauerfeier das ausgehobene Grab anschauen oder dem Kind eine Bezugsperson zur Seite stellen, die während der Trauerfeier die Fragen des Kindes beantwortet. Hilfreich sind auch Kinderbücher, die die Beerdigung altersgerecht erklären.

„Wie kann es sein, dass Opa da unten in der Kiste liegt und gleichzeitig im Himmel ist?“ Diese Frage beantwortet ein Kinderbuch von der Autorin Mechthild Schroeter-Rupieper beispielsweise mit dem Bild eines Einweghandschuhs. Wenn ein Mensch stirbt, dann streift er seine Hülle ab wie die Hand einen Einweghandschuh. Diese Hülle wird auf dem Friedhof bestattet. Die Hand, also das, was den Menschen ausmacht, seine Seele oder seinen Geist, bleibt in unserer Erinnerung, in unserem Herzen oder bei Gott.

Trauerfreie Räume geben Kinder Sicherheit und Ablenkung

Auf die Frage, welche allgemeinen Tipps Kötter für die Begleitung von trauernden Kindern hat, antwortet sie: „Es ist wichtig, den Kindern zu signalisieren: Wir können über den Verstorbenen sprechen.“ Denn Kinder trauern anders als Erwachsene. Sie springen unvermittelt in ihre Trauer hinein und wieder heraus, in dem einen Moment weinen sie, im nächsten möchten sie Fußball spielen oder ein Eis essen. „Deshalb sprechen wir auch von Pfützentrauer, als würden die Kinder von der einen Regenpfütze in die nächste springen“, erklärt Kötter und betont: „Alle Gefühle haben ihre Berechtigung. Nur weil die Kinder mal zwei Stunden nicht über den verstorbenen Papa sprechen und ausgelassen spielen, haben sie ihn nicht weniger lieb.“ Trauerfreie Räume wie Kindergarten und Schule können entlastend sein. Die gewohnten Routinen und Freunde bringen Sicherheit und Ablenkung.

Die Eltern, die oft parallel zu ihren Kindern trauern, ermutigt Kötter dazu, ihre Gefühle offen vor den Kindern zu zeigen. Zum einen kostet das Verstecken der Gefühle viel Kraft. Zum anderen bietet es auch eine Chance. „Wenn Erwachsene zeigen, wie traurig oder wütend sie sind, bekommen die Kinder das Gefühl: Es darf alles sein.“ Warum sollen denn Erwachsene und Kinder nicht gemeinsam auf dem Sofa sitzen und um eine wichtige Person trauern? Dann halten sie sich in den Armen und trösten sich gegenseitig. Bis es wieder besser ist.

 

Zum Trauerland

Das Spes Viva Trauerland in Belm bietet Trauergruppen für Kinder und Jugendliche an. In unterschiedlichen Räumen kann gemalt, gebastelt, getobt und gespielt werden. Vielen Kindern tut es gut, sich mit Gleichaltrigen über ihre Erlebnisse auszutauschen. Während der Gruppenstunden werden die Kinder von geschulten Ehrenamtlichen betreut. Parallel dazu haben die begleitenden Eltern die Möglichkeit, sich im Beisein von Trauerbegleiterinnen auszutauschen. Die Kinder dürfen die Gruppenstunden solange besuchen, wie sie es brauchen. Das Angebot ist kostenfrei. Das Konzept stammt vom Trauerland in Bremen. Weitere Kooperationspartner gibt es in Verden und in Osterholz-Scharmbeck.

 

Buchtipps zum Thema Kindertrauer

Ab 3 Jahren: Wie mag's denn wohl im Himmel sein (ISBN: 978-3-451-71353-8) von Christian und Fabian Jeremies. Emils Oma ist gestorben. Gemeinsam mit seiner Freundin Lulu erinnert er sich an sie und malt sich aus, wie es ihr im Himmel ergeht. Ein tröstliches Bilderbuch voller Fantasie und Humor. 15 Euro.

Ab 5 Jahren: Der alte Elefant (ISBN: 978-3-7655-5977-8) von Laurence Bourguignon und Laurent Simon. Für den alten Elefant wird es Zeit, sich auf den Weg in den Elefantenhimmel zu machen. Behutsam bereitet der Elefant seinen Freund die Maus auf seinen Weggang vor. Ein liebevoll illustriertes Bilderbuch zum Thema Abschiednehmen. 15 Euro.

Ab 5 Jahren: Ein Ort für meine Traurigkeit (ISBN: 978-3-522-30597-6) von Anne Booth und David Litchfield. Ein berührendes Bilderbuch über den Umgang mit Traurigkeit, das viel Interpretationsspielraum lässt und Hilfe bieten kann bei Tod, Trennung, Kummer oder Depression. 15 Euro.

Ab 8 Jahren: Radieschen von unten. Das bunte Buch über den Tod für neugierige Kinder (ISBN: 978-3-95470-285-5) von Katharina von der Gathen und Anke Kuhl. Ein Sachbuch über alles, was rund um den Tod geschieht: Wie geht sterben? Beerdigen, Trauern, aber auch kuriose Aspekte. Mit Illustrationen im Comic-Stil. 22 Euro.

Ab 12 Jahren: Einfach so weg. Dein Buch zum Abschiednehmen, Loslassen und Festhalten (ISBN: 978-3-551-51849-1) von Ayse Bosse. Ein kreatives Trauerbuch für Jugendliche. Mit Kurzgeschichten, Gedichten, Liedtexten und viel Platz für Kreativität und eigene Gedanken. 15 Euro.

Weitere Informationen bekommen Sie bei der Dom Buchhandlung

Jasmin Lobert