Bechers Provokationen

Klerikaler als der Klerus

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Unsere Provokationen suchen nach der Glut unter der Asche. Heute geht es um den Klerikalismus der Laien. Und warum ein solcher ungesund für Priester ist. Von Johannes Becher.

Wenn Angehörige darauf bestehen, dass ein Priester einen ihrer Lieben beerdigen muss …, ist das auch eine Spielart des Laienklerikalismus. Foto: Adobe Stock
Wenn Angehörige darauf bestehen, dass ein Priester einen ihrer Lieben
beerdigen muss …, ist das auch eine Spielart des Laienklerikalismus.
Foto: Adobe Stock

Königshäuser. Das Volk, ja auch das deutsche, ist unheilbar monarchieergeben. Wie sonst ließe sich erklären, dass jede Hochzeit im Königshaus von mehreren Fernsehsendern live übertragen wird. Ähnlich ist das mit den Katholiken. Unheilbar klerikal. Sozusagen hineingetauft in dieses ehrerbietige Aufschauen in die Feierlichkeit. Und wenn die dann sogar mannigfach purpur leuchtet: umso besser. Ein Pontifikalamt mit 16 Konzelebranten, was könnte es Schöneres geben?

Schlussendlich besteht dort beim Kommunionempfang endlich mal nicht die Gefahr, die Hostie von einem Laien zu empfangen. Kann man ja nicht jedesmal machen: die Spur wechseln, um beim geweihten Haupt zu kommunizieren.
Allerdings: Bei Beerdigungen ist man schon eigen. Soll sich bloß keiner unterstehen, dass meine Liebsten vom Diakon oder einer Gemeindereferentin unter die Erde gebracht werden. Da muss der Priester selbst herbei. Warum zahlen wir schließlich Kirchensteuer?

Zuspitzungen. Und doch mit wahrem Kern: So mancher Laie wirkt zuweilen klerikaler als der Klerus. In der Nähe des Priesters ist man dem Heiligen näher. Aug in Aug mit einer „Persona Christi“ – auch, wenn er mir auf der Straße doch einfach als Mensch wie du und ich begegnet. Ist halt Hochwürden. Geweihter. Geistlicher. Heilsbringer.

Johannes Becher Foto: privat
Redaktionsleiter
Johannes Becher Foto: privat

Der Schweizer Priester Martin Stewen (siehe „Zitiert“) fasst es treffend in Worte: Im Laien-Klerikalismus wird der Priester zum „Lebenserfüllungsgehilfen“. Und in dieser Rolle ist er „vor allem als Geweihter, nicht als Mensch interessant“.
Dabei kommt es doch gerade darauf an: einander als Menschen zu begegnen. Niemanden zu erhöhen als den Dreifaltigen. Vor allem ist es zwingend arterhaltend, einen Priester als Normalsterblichen zu behandeln. Denn sonst muten sich diese Männer in wachsenden Pfarrgebieten stellenweise viel zu viel zu.

Es ist wohl kein Einzelfall, dass in Zeiten der Vakanz einer Pfarrerstelle die Engagierten der Kerngemeinde sich um mancherlei Angebot selbst kümmern: vom Seniorenkreis im Pfarrzentrum bis hin zum Abendlob in der Kirche. Wenn dann der neue Pfarrer kommt, sind all die lebendigen Selbstläufer von jetzt auf gleich wieder eingestellt. „Ei, jetzt sind Sie ja da!“, hört mancher Pfarrer als Begründung.

Es ist höchste Zeit, das zu ändern. Wie sonst sollen denn auch Priester aus ihrem Klerikalismus herauskommen? Wenn ihnen die Laien nicht dabei helfen. Und die Gemeinde der Zukunft lebt aus dem gemeinsamen Priestertum aller – hoffentlich mit deutlich weniger Klerikalismus der Laien.

 

Zitiert: „Lebenserfüllungsgehilfe“

„Schauen wir auf Klerikalistisches unter den Gläubigen, dann entpuppt sich Klerikalismus schnell nicht nur als Krankheit des Klerus, sondern als Epidemie im ganzen Volk Gottes: Auch wenn wir vielleicht in vielen Teilen Europas und der westlichen Kirche einem ,Klerikalismus der Laien‘ eher seltener begegnen, gibt es sie doch zur unangenehmen Genüge: jene Gläubigen, die in den Kleriker all ihre Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte projizieren und das mit allerlei verbalen und gestischen Formen auch beständig zum Ausdruck bringen. Spurt der Kleriker in dieser ihm zugedachten Rolle des Lebenserfüllungsgehilfen – in der er vor allem als Geweihter, nicht als Mensch interessant ist – nicht, steht es bald schlecht um ihn. Für einen Kleriker ist es wahrhaft ein Kunststück, so eine Rolle loszuwerden (wenn er es will), ohne die entsprechenden Gläubigen zu verprellen.“

Dr. Martin Stewen, Auslandspriester im Apostolischen Vikariat Südarabien mit Sitz in Abu Dhabi