Fotoausstellung
Robert Capas Blick auf die Menschen
Picasso Museum/Hanna Neander
Bilbao im Mai 1937: Das Schwarz-Weiß Foto von Robert Capa zeigt eine Frau, die ein Kind an der Hand hält, eine scheinbar alltägliche Straßenszene. Beide schauen nach oben. Denn es gibt Luftalarm und das bedeutet, dass sie sich in Sicherheit bringen müssen. Am Himmel werden gleich die deutschen Flugzeuge erscheinen, die Hitler zur Unterstützung General Francos geschickt hat; immer wieder wurden spanische Städte von Piloten der deutschen Legion Condor bombardiert. Es war das erste Mal in der neueren Geschichte, dass ein Krieg auch gegen die Zivilbevölkerung geführt wurde. Die Verteidiger des demokratischen Spaniens konnten den Spanischen Bürgerkrieg nicht gewinnen, viele Städte mussten evakuiert werden: Ein anderes Foto Capas zeigt ein Mädchen in Barcelona, das am Straßenrand neben einer Straßenbarrikade sitzt, um sich auszuruhen. Robert Capa (1913 – 1954), der als Kriegsfotograf berühmt wurde, hat zwar auch Kämpfer an der Front fotografiert, doch die Folgen eines Krieges zeigen sich besonders in den Bildern, die er von der Zivilbevölkerung gemacht hat. Beispiele dafür sind in einer Retrospektive mit dem Titel „Die Wahrheit ist das beste Bild“ im Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster zu sehen.
Da gibt es ein Foto aus Italien, das weinende Mütter zeigt, die ihre jugendlichen Söhne im Kampf gegen die Faschisten verloren haben, und das Bild aus China, auf dem eine alte Frau nach einem Luftangriff der Japaner verloren zwischen Trümmern sitzt. Ein anderes Bild dokumentiert die lange Reihe von Menschen, die wegen des Spanischen Bürgerkriegs nach Frankreich fliehen, mit wenig Gepäck können sie sich über die Grenze retten und werden in Frankreich in Internierungslagern untergebracht.
Robert Capa hat selbst viele Jahre in Frankreich gelebt und gearbeitet. Geboren wurde er als Endre Friedmann in Budapest, ging als Jugendlicher nach Berlin, wo er seine Laufbahn als Fotograf startete, und emigrierte über Wien nach Paris, nachdem Hitler 1933 die Macht übernommen hatte. In Frankreich war er als André Friedmann tätig, nahm dann aber den Künstlernamen Robert Capa an, wodurch er die Fotohonorare verdreifachen konnte. Viele Illustrierte wollten mit dem neuen Talent zusammenarbeiten, weil sie ihn für einen Amerikaner hielten.
Nachdem er in den dreißiger Jahren mehrfach in Spanien fotografiert hatte und 1938 für eine geraume Zeit in China gewesen war, emigrierte Robert Capa 1939 in die USA. Er nahm mehrfach an Feldzügen der US-Truppen teil, in Afrika und Italien, und war 1944 dabei, als die alliierten Truppen am sogenannten D-Day in der Normandie landeten. Capa ging mit der ersten Welle der Soldaten an Land und duckte sich am Strand in den Sand, während er fotografierte. Er habe keine Zeit gehabt, Blende oder Schärfe einzustellen, erzählte er später, auch erstaunt darüber, dass er den Tag überlebt hat – bei der Landung in der Normandie am 6. Juni sind etwa 2000 US-Soldaten gestorben. Nach vielen Stunden unter Beschuss wurde Capa von einem Wasserfahrzeug der Amerikaner wieder an Bord genommen.
Seine Fotos vom D-Day haben Berühmtheit erlangt und Capas Ruf als Kriegsfotograf gefestigt. Doch auch die Szenen, die Capa beim späteren Vorrücken der Alliierten in Frankreich aufnahm, bleiben im Gedächtnis, denn sie dokumentieren die speziellen Situationen dieser Zeit. Eins der Fotos zeigt eine Menschenmenge, die eine Frau mit einem Baby auf dem Arm bedrängt. Der Kopf der Frau ist kahlgeschoren, die Menge brandmarkt und verspottet sie als Verräterin, weil sie eine Beziehung zu einem deutschen Soldaten hatte.
Von Capa selbst wird gesagt, seine große Liebe sei die deutsche Fotografin Gerda Taro gewesen, die mit 26 Jahren 1937 bei einem Unfall in Spanien starb. Capa nahm fortan immer wieder gefährliche Aufträge an. Nach den Kriegseinsätzen war es für ihn wie für viele andere Zeitgenossen schwer, ins zivile Alltagsleben zurückzukehren. Robert Capa verbrachte viel Zeit an Hotelbars und am Pokertisch – seine Affäre mit Ingrid Bergman 1946 soll daran gescheitert sein, dass er zu oft zu viel Alkohol trank.
1947 gründete Robert Capa mit Henri Cartier-Bresson, David Seymour und weiteren Freunden in New York die Fotoagentur Magnum, die garantieren sollte, dass das Copyright von Fotos bei den Fotografen liegt. 1948 reiste Capa für sechs Wochen nach Israel und nahm berührende Bilder in diesem neu gegründeten Staat auf, einem Land, das vielen Juden, die die Nazi-Zeit überlebt hatten, nun eine neue Heimat verhieß. Doch auch in Israel geriet Capa wieder in einen Krieg und fotografierte dort während des ersten israelisch-arabischen Kriegs 1948.
Das Leben als Kriegsreporter hinterließ Spuren. Der Schriftsteller Irwin Shaw, mit dem Capa sich in den frühen 1950er Jahren im schweizerischen Klosters zum Skilaufen traf, beschrieb Capas täglichen Kampf mit der Frage, ob sich das Aufstehen überhaupt lohne: Am Morgen sei Capas Gesicht grau, die Augen verdunkelt von den Alpträumen der Nacht, die ein Mann träumt, der durch seine Kamera so viel Böses und so viel Leid gesehen hat; ein Mann, der erst nach einem starken Drink sein Nachmittagslächeln aufsetzen und verspätet den Tag beginnen kann.
Nach Angaben von Zeitgenossen äußerte Capa mehrfach den Wunsch, über keinen Krieg mehr berichten zu müssen. 1954 nahm er eine Einladung aus Japan an, dort das Nachkriegsleben der Bevölkerung zu fotografieren. In Tokio erreichte ihn das gut honorierte Angebot, einen vom Indochinakrieg berichtenden Reporter der Illustrierten „Life“ zu vertreten Capa, der verschuldet war, nahm den Auftrag an. Am 25. Mai trat er auf eine Mine und starb.
Die Capa-Retrospektive wird ergänzt durch eine Ausstellung über Pablo Picassos künstlerischen Umgang mit den Themen Krieg und Frieden. Beide Ausstellungen gehen bis zum 29. September, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr.
www.kunstmuseum-picasso-muenster.de